P. Marco Voigt Predigt zu Jesaja 55,1-5, Predigt zum Abschied von Marco Voigt aus Nienburg
Wohlan, alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser! Es klingt so, als würden unsere Kirchenkaffeedamen uns eine Erfrischung anbieten. Und wer würde da nicht zugreifen an einem so heißen Tag wie heute?! Vielleicht werden wir diesen Satz ja nach dem Gottesdienst wirklich von ihnen hören?!
Wohlan, alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser! Doch als erste haben ihn nicht unsere Damen gesagt. Der erste war Jesaja. Er ruft diesen Satz Menschen zu, die durstig sind. Durstig an Leib und Seele. Denn sie haben lange Zeit nichts Labendes und Wohltuendes bekommen. Weder für ihren Körper, noch für ihren Geist. Und darum sind auch ihre Seelen ausgetrocknet. Sie sind fern der Heimat. Seit Jahrzehnten schon. Die Babylonier haben sie in ein fremdes Land verschleppt. Ein Land, in dem sie schief angesehen werden. Sie sind und bleiben „die Anderen“, denn sie haben einen anderen Glauben. Glauben nur an den einen Gott. Und immer wieder hört man aus ihren Hütten „Maria, ihm schmeckt’s nicht!“, denn beim Essen und Trinken, da sind sie auch sehr eigen. „Koscher“ soll immer alles sein. Das, was es auf dem schönsten Wochenmarkt im Alten Orient zu kaufen gibt, das schmeckt den Israeliten nicht. Dieses pappige Zeug macht einfach nicht satt. Und darum ist mit den Israeliten nicht gut Kirschen essen. Denn wer das Essen nicht mag und wer seinen Glauben nicht so leben kann, wie er will, der ist körperlich und geistlich unterzuckert. Und das macht bekanntlich ganz schlechte Laune. Da kommt Jesaja gerade recht. Er spricht das aus, worauf die Israeliten lange gewartet haben:
Wohlan, alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser! Und die ihr kein Geld habt, kommt her, kauft und esst! Kommt her und kauft ohne Geld und umsonst Wein und Milch! Warum zählt ihr Geld dar für das, was kein Brot ist, und euren sauren Verdienst für das, was nicht satt macht? Hört doch auf mich, so werdet ihr Gutes essen und euch am Köstlichen laben. Liebe geht durch den Magen. Gott weiß das. Und weil Gott sein Volk liebt, soll es bald wieder essen können wie Gott in Frankreich und sich nicht länger mit der bekanntermaßen unterdurchschnittlichen babylonischen Küche zufrieden geben müssen. Und weil Gott es sich leisten kann, soll die Party die Israeliten noch nicht einmal etwas kosten! Also, wenn das kein Angebot ist! Aber Gott ist noch nicht fertig. Denn „der Mensch lebt nicht vom Brot allein…“. Und so fährt Gott fort: Neigt eure Ohren her und kommt her zu mir! Höret, so werdet ihr leben! Ich will mit euch einen ewigen Bund schließen, euch die beständigen Gnaden Davids zu geben. Siehe, ich habe ihn (David) den Völkern zum Zeugen bestellt, zum Fürsten für sie und zum Gebieter. Siehe, du wirst Völker rufen, die du nicht kennst, und Völker, die dich nicht kennen, werden zu dir laufen um des HERRN willen, deines Gottes, und des Heiligen Israels, der dich herrlich gemacht hat. Nach dem großen Essen kommt also Gottes noch größere Verheißung:
Höret, so werdet ihr leben! Gott spricht Worte des Lebens. Nicht allein ein König wie David ist es wert, dass Gott einen Bund mit ihm schließt, sondern jeder, und sei er noch so klein. Und diese Worte strahlen aus: Denn plötzlich wollen Menschen diesen Gott kennenlernen, der so etwas sagt. Sie werden neugierig, was es mit so einem liebenden Gott auf sich hat, der solche Versprechen gibt, der Bünde schließt, dem jeder einzelne Mensch wichtig ist. Ich selber habe das erleben dürfen – Tag für Tag in den letzten zehn Jahren hier in Nienburg. Menschen wollen diesen Gott kennenlernen: Eltern wollen ihr Kind auf seinen Namen taufen lassen, Kinder wollen mit ihm im Kindergottesdienst spielen, Jugendliche wollen ihren Glauben bestärken und sich konfirmieren lassen (und heute sind sogar 100% der Konfirmanden von St. Michael anwesend; das finde ich ganz toll)1, Menschen jeden Alters kommen zu den Lighthouse-Gottesdiensten, und Menschen jeden Alters wollen davon hören, dass es mehr gibt als das, was wir machen oder kaufen können. Vielen wird das angesichts des Todes bei einer Beerdigung ganz stark bewusst. Menschen wollen diesen Gott kennenlernen. Denn ich glaube: Menschen brauchen diesen Gott. Und ich glaube, dass die Welt uns als Gottes Volk braucht. Menschen, die öffentlich sagen: „Für uns ist Leben retten kein Verbrechen, sondern Christenpflicht. Man lässt keine Menschen ertrinken. Punkt!“2 Menschen, die das sagen, und Menschen, die danach handeln. „Höret, so werdet ihr leben!“, sagt Gott, und manchmal ist es so einfach, ein Leben zu retten. Es braucht nur ein Schiff und guten Willen. Zehn Jahre lang war ich nun Pastor hier in St. Michael und in St. Martin. Es war meine Aufgabe, Gottes frohe Botschaft zu verkündigen. Im Rückblick eine wunderbare Zeit, in der ich unzählige wunderbare Menschen kennenlernen durfte. Viele Menschen habe ich ein Stück ihres Lebens begleitet. Eine Zeit, für die ich Ihnen, Euch und Gott „Danke“ sage. 1 Es sind in diesem Jahr nur zwei. 2 Pn. Sandra Bils beim Schlussgottesdienst des DEKT am vergangenen Sonntag. Nun aber ist es Zeit aufzubrechen. Weg von Europas schönstem Wochenmarkt und weg von der Küche der Mittelweser, die nicht zuletzt dank ihres Spargels, der Pellkartoffeln und der Suppen überdurchschnittlich ist. Siehe, du wirst Völker rufen, die du nicht kennst… Dieser Satz trifft nun auf mich zu. Denn wer mir in Zukunft zuhören wird, das weiß ich nicht. Es werden Menschen am Radio sein, die ich nicht sehen kann und von denen ich die allermeisten niemals kennenlernen werde. Obwohl… Wenn ich Jesajas Worte ernst nehme und ihnen Glauben schenke (und das will ich ja tun), dann muss ich mich auf einiges gefasst machen. Denn Jesaja endet mit der wunderbaren Verheißung: Siehe, du wirst Völker rufen, die du nicht kennst, und Völker, die dich nicht kennen, werden zu dir laufen um des HERRN willen, deines Gottes, und des Heiligen Israels, der dich herrlich gemacht hat.
Okay! Aber: Bitte nicht alle auf einmal!